Gute Nachrichten für Architekten. Haben diese mit ihrem Auftraggeber unterhalb der Mindestsätze der HOAI 2013 Honorar vereinbart, können sie die Differenz mittels Aufstockungsklage geltend machen.

Das OLG Hamburg urteilte im Sinne des klagenden Architekten:

1. Der Verstoß gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie führt unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten nicht dazu, dass die HOAI 2013 im Verhältnis zwischen Privaten nicht mehr anzuwenden ist (EuGH, Urteil vom 18.01.2022 – C-261/20).
2. Das sog. Aufstockungsverlangen eines Architekten, der mit seinem Auftraggeber ein unter den Mindestsätzen der HOAI 2013 liegendes Pauschalhonorar vereinbart hat und der nach einer Kündigung des Architektenvertrags nach den HOAI-Mindestsätzen abrechnet, ist nur dann treuwidrig, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung vertraut hat und darauf vertrauen durfte und er sich darauf in der Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrags nicht zugemutet werden kann (Anschluss an BGH, IBR 1997, 288).

Seit dem 18.01.2022 gelten Aufstockungsklagen von Architekten und Ingenieuren, die abweichend vom vertraglich vereinbarten Honorar den Mindestsatz der HOAI 2013 oder früherer Fassungen geltend machen, wieder als erfolgversprechend. Denn an diesem Tag hat der EuGH auf den Vorlagebeschluss des BGH entschieden, dass die EU-Dienstleistungsrichtlinie einer Aufstockungsklage zwischen Privaten trotz des von ihm am 04.07.2019 festgestellten Verstoßes der HOAI 2013 gegen diese Richtlinie nicht entgegenstehe. Davon unbeschadet, so der EuGH, könne das nationale Gericht aber die Anwendung des mit der Richtlinie kollidierenden nationalen Rechts „aufgrund innerstaatlichen Rechts“ ausschließen.

Das OLG Hamburg sprach einem klagenden Architekten auf die von ihm erheobene Aufstockungsklage hin den Mindestsatz nach der HOAI 2013 in Höhe von gut 300.000 Euro zu. Allerdings wies der entschiedene Sachverhalt die Besonderheit auf, dass die Parteien zunächst einen konkludenten Architektenvertrag geschlossen hatten, der später durch einen schriftlichen Vertrag mit einem die Mindestsätze unterschreitenden Pauschalhonorar ersetzt wurde. Nach nationalem Recht hätte der Architekt allein aufgrund der nicht schriftlich und (hinsichtlich der späteren schriftlichen Urkunde) nicht bei Auftragserteilung geschlossenen Honorarvereinbarung gemäß § 7 Abs. 5 HOAI 2013 den Mindestsatz verlangen können. Soweit vor dem jüngsten EuGH-Urteil noch vertreten wurde, dass die sogenannte Dienstleistungsrichtlinie einer Aufstockungsklage entgegen stehe, war innerhalb dieser Auffassung umstritten, ob dies ebenso für eine mit einem Formverstoß begründete Mindestsatzklage gegolten hätte (dafür z. B. OLG Düsseldorf, IBR 2021, 134). Auch dieser Streit hat sich durch das EuGH-Urteil vom 18.01.2022 erledigt, da das nationale Recht bis zur HOAI 2013 unverändert anwendbar bleibt. Das OLG konnte den Mindestsatz daher sowohl wegen der Mindestsatzunterschreitung als auch des Formverstoßes zusprechen. Dass die herkömmlichen anspruchsbegründenden und anspruchshindernden Umstände, wie die Grundsätze des Gesamtvergleichs (BGH, IBR 2012, 206) oder das ausnahmsweise treuwidrige Aufstockungsverlangen (BGH, IBR 1997, 288), zu prüfen sind, ist dabei selbstverständlich.

Für die ab dem 01.01.2021 geschlossenen Architektenverträge dürfte die Rechtslage allerdings anders sein. Denn für alle nach dem 31.12.2020 geschlossene Architektenverträge gilt die HOAI 2021, die verbindliche Mindestsätze nicht mehr vorsieht und Aufstockungsklagen daher nur noch bei einem Verstoß gegen die in § 7 Abs. 1 HOAI vorgesehene Textform der Honorarvereinbarung ermöglicht. Auf bis zum Stichtag geschlossene Stufenverträge bleibt nach § 57 Abs. 2 HOAI allerdings das verbindliche Preisrecht der HOAI 2013 ungeachtet des Zeitpunkts des Stufenabrufs anwendbar.